To the Moon - Review
Alles beginnt mit zwei Kindern in einem Wohnzimmer. Während das Mädchen am Klavier sitzt und eine bedächtige, fast schon melancholische Melodie spielt, steht der Junge hinter ihr und hört konzentriert zu. Plötzlich ein schrilles Quietschen, gefolgt von einem Knall. Das Mädchen unterbricht sein Klavierspiel und die Kinder blicken in die Richtung, aus der die lauten Geräusche kamen.
Wir werden aus dem Szenario des gemütlichen Wohnzimmers gerissen und finden uns vor einem qualmenden Auto wieder. Die Passagiere, aufgrund der weißen Kleidung offensichtlich Ärzte, stehen um den Wagen herum, welcher seine Fahrt an einem Baumstamm beendete. Ein Streit über den Unfall entbricht.
Bei den beiden Personen handelt es sich um Dr. Eva Rosalene und Dr. Neil Watts. Dr. Watts, der Fahrer des Unfallfahrzeugs, verteidigt sein Missgeschick und weißt auf die Ursache, ein Eichhörnchen hin. Dr. Rosalene hält dagegen das weder der Wagen, noch das besagte Eichhörnchen schadlos davongekommen sind. Schnell wird klar, dass die Beziehung der beiden Ärzte keineswegs problemlos ist.
Nachdem der Austausch von Schuldzuweisungen und Ausreden beendet ist machen sich die Mediziner, mitsamt einer ominösen Ausrüstung, auf den Weg zum Haus ihres Auftraggebers.
Dort angekommen öffnet eine Frau namens Lily die Tür. Der Junge und das Mädchen aus der Eröffnungsszene, Tommy und Sarah, entpuppen sich als ihre Kinder. Doch weder Lily, noch ihre Kinder, sind der Grund für das Erscheinen von Dr. Rosalene und Dr. Watts. Lily ist lediglich die Pflegekraft von John Wyles, der lieber Johnny genannt werden will. Eben dieser Johnny ist es, wegen dem das zerstrittene Duo die Reise auf sich nahm und so führt Lily die beiden in sein Zimmer, denn John Wyles liegt im sterben. Sein letzter Wille und der Auftrag der Gäste: Er will zum Mond...
All diese Ereignisse laufen in ungefähr fünf bis zehn Minuten ab und bereits jetzt werden zwei Dinge klar: To the Moon behandelt eine sehr ernste Thematik, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen. Die geradezu pubertären Stänkereien von Dr. Rosalene und an den Haaren herbei gezogenen Ausreden des Dr. Watts erzeugen einen fast befremdlichen Kontrast zur Eröffnungsmelodie der beiden Kinder. Dieser Kontrast wird noch verstärkt durch den sterbenden Johnny.
Während der Gegensatz aus flachem Humor und ernster Thematik anfangs vielleicht etwas befremdlich wirken mag, so sorgt er vor allem im späteren Spielverlauf für eine große Glaubwürdigkeit der Geschichte, denn das To the Moon ist flach und amüsant wo es sich das erlauben kann, während es sehr ernst und bedächtig wird, wenn es die Lage erfordert.
Die Atmosphäre in To the Moon unterliegt einer besonderen Gegebenheit: Um die Wünsche des Patienten zu erfüllen, müssen Watts und Rosalene rückwärts durch die Erinnerungen von Johnny reisen. Es ist also, als würde man ein Buch rückwärts lesen: Man kennt das Ergebnis, aber es fehlt die Geschichte wie es dazu kam. Durch diese Erzähltechnik wirken die aufgenommenen Informationen völlig anders. So wird sehr früh klar das Johnny gerne eingelegte Oliven isst. Während dies anfangs kaum erwähnenswert scheint, wird erst sehr spät der Grund dieser Vorliebe aufgeklärt und wirft auf einen Großteil der bereits erfahrenen Geschichte ein völlig anderes Licht.
Da diese Rückbesinnung auf bereits Erlebtes schnell kompliziert werden könnte beschränkt das Spiel sich auf sehr wenige handelnde Personen und auch Gegenstände. Dies ist jedoch keineswegs ein Kritikpunkt, sondern es wirkt durch und durch passend gewählt. So wird man im Laufe des Abenteuers zwar immer die gleichen Utensilien zu Gesicht bekommen, allerdings erfährt man mehr und mehr über deren Bedeutung für Johnny. Unterstrichen wird die Atmosphäre von meist passender Musik, welche qualitativ wirklich überzeugt.
Ist To the Moon nun ein fantastisches Spiel? Mit Sicherheit nicht! Um ehrlich zu sein ist es sogar ein wirklich schlechtes Spiel. Das gesamte Gameplay besteht aus dem Bewegen der Spielfigur über die sehr geradlinigen Areale (in denen verlaufen unmöglich ist) und das Anklicken verschiedener Gegenstände. Man muss zwar regelmäßig Bilderrätsel lösen, jedoch sind diese sehr monoton und viel zu einfach. Auch die sonstigen Aufgaben, wie das Finden von Hinweisen, gestaltet es insofern als völlig anspruchslos, als das man durch ein Cursorsymbol genau angezeigt bekommt wo etwas zu finden ist und wo nicht.
Kleinere Zwischenepisoden, beispielsweise ein kurzer Ausritt zu Pferde, werden durch eine eher hakelige Steuerung, wie eine ungünstig gestaltete Landschaft getrübt. Größter Kritikpunkt ist jedoch: Man kann nicht verlieren! Es gibt keinen Game Over Bildschirm, es gibt keine zeitgebundenen Aufgaben, nichts was auch nur im entferntesten anspornt gut in diesem Spiel zu sein.
Jetzt kommt jedoch das große Aber: Genau diese spielerische Armut macht To the Moon zu einem einmaligen und fantastischen Erlebnis. Es ist schwer zu erklären, aber wer dem Spiel eine Chance gibt und sich auf die Geschichte von Johnny einlässt, der wird froh sein keine Stunden mit dem Aufleveln von Fertigkeiten oder Suchen versteckter Gegenstände verbringen zu müssen.
Es handelt sich hier viel weniger um ein Videospiel, als viel mehr um eine packende und sehr gut erzählte Geschichte, welche das Medium des Videospiels nutzt. Während das Spiel, sofern man es als solches bezeichnen will, wirklich stur geradeaus führt, macht die Geschichte dies nicht. Fragen wie gut oder böse, richtig oder falsch werden gestellt und die Antwort bleibt meist dem Spieler am Bildschirm überlassen.
Nach rund 4,5 Stunden ist To the Moon vorbei, doch es wird schwer dann damit abzuschließen. Die aufgeworfenen Fragen haben teilweise eine sehr tiefgehende Wirkung und das Verarbeiten und begreifen des Spiels dauert vermutlich länger als der Durchlauf selbst. Pandemonium kommentierte den Soundtrack mit: „Man sollte nur nicht gerade depressiv veranlagt sein“. Genau das rate ich auch bei dem Spiel selbst!
Fazit: To the Moon ist kein Spiel, welches man um des Spiels willen erleben sollte. Wer nichts für tiefgehende und emotionale Geschichten übrig hat, der sollte einen weiten Bogen um dieses Werk machen, denn es bietet neben der Story nichts was einen motivieren oder reizen könnte.
Wer dagegen ein Faible für wirklich gut inszenierte und starke Handlungen besitzt, der sollte dringend einen Blick riskieren. Auf der offiziellen Homepage (siehe Link unten) könnt ihr euch eine 1h Testversion herunterladen und somit knapp ein Viertel des Spiels kostenlos anspielen. Eine Bewertung kann objektiv nicht erfolgen. Für mich wäre es, da ich den Fokus klar auf die Story lege, eine [9/10]
Wer Lust auf mehr hat kann sich entweder die Download-Version für rund 12€ kaufen, oder aber direkt die Retail-Box, welche mit rund 20€ zu Buche schlägt. Den Soundtrack gibt es ab ca. 4,20€.
Positiv:
+ wunderschöne Retrografik
+ überragende Story
+ klasse Soundtrack
+ keine künstlichen Längen
+ für die Grafik ausgesprochen gute Mimik der Charaktere
Negativ:
- wer mit der Story nichts anfangen kann wird absolut nichts am Spiel finden
- etwas kurz (4,5 Stunden)
- nur geringe Variationen im Handlungsverlauf
freebirdgames.com (offizielle Homepage)
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