Darkest of Days - Zurück in die Zukunft - (PC-)User-Review

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    • Darkest of Days - Zurück in die Zukunft - (PC-)User-Review

      Es hätte einer der größten Siege der US-Army in der Geschichte der Indianerkriege werden können - und wurde das komplette Gegenteil: die Schlacht am Little Bighorn River, im heutigen US-Bundesstaat Montana, am 25. Juni 1876. Der amerikanische Generalmajor George A. Custer - kein großer Stratege, mehr kühn als klug, aber aufgrund vorangegangener Erfolge zum Kommandeur des als elitär geltenden 7. Kavallerie-Regiments ernannt - hatte die Zahl der Indianer und deren taktisches Geschick an jenem heißen Sommertag maßlos unterschätzt. Custers Abteilung, die größte von insgesamt drei Kavallerie-Einheiten, die das Lager der Sioux aus verschiedenen Richtungen angriffen, wurde von den beiden anderen Gruppen abgeschnitten, von Kriegern Sitting Bulls und Crazy Horses auf eine Anhöhe zurückgedrängt, dort eingekreist und schließlich vernichtend geschlagen.

      Einer kam durch

      Eigentlich hätten auch wir am 25. Juni 1876 sterben müssen. Denn wir sind der US-Kavallerist Alexander Morris und gehören zu General Custers Abteilung. Unser Pferd hat man uns bereits unter dem Sattel weggeschossen. Nur rennenden Fußes können wir zu Custers Trupp aufschließen, der auf einer Anhöhe Position bezogen hat. Nicht wenige seiner Männer liegen zu diesem Zeitpunkt schon tot am Boden. Der Rest aber leistet erbitterten Widerstand. Um uns herum lauter kreischende Indianer, während gleichzeitig immer mehr unserer Kameraden, von Pfeilen und Speeren durchbohrt, in die ewigen Jagdgründe eingehen. Soeben hat es den General erwischt - und jetzt sind wir dran, doch... vor unseren Augen taucht plötzlich eine bläuliche Kugel auf. Ihr entsteigt eine futuristische Gestalt. Sie zieht uns in das Portal - und bringt Morris damit binnen Sekunden in Sicherheit, raus aus dem Schlachten-Getümmel am Little Big Horn und 134 Jahre weiter, nämlich in die Gegenwart des Jahres 2010, dem Erscheinungsjahr von Darkest of Days.

      KronoteK is watching you

      Wir "erwachen" in einer Art Kontrollraum. Auf einem gigantischen Monitor erscheinen die Augen einer Frau. "Mutter" stellt sich als Abgesandte KronoteKs vor. KronoteK wiederum ist eine geheime Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Vergangenheit so zu belassen, wie sie sich abgespielt hat. Aber offenbar gibt es noch eine zweite Gruppierung, die genau das verhindern will. Alexander Morris wurde, wie sich jetzt herausstellt, von KronoteK auserkoren, als "Wächter der Zeit" dafür zu sorgen, dass die historische Zeitlinie gewahrt, die zurückliegende Menschheitsgeschichte also erhalten bleibt. Bei der Gelegenheit sollen wir außerdem noch einen verschwundenen Professor aufspüren, den Erbauer der Zeitmaschine. Der Prof. wird nämlich auch von der anderen Organisation gesucht. Und es wäre sicher ärgerlich, wenn sie den Professor beispielsweise dazu zwingen würde, Hitler doch noch zum Sieg in Europa zu verhelfen. Also machen wir uns zügig auf in die Vergangenheit, zurück in die dunkelsten Tage der Menschheitsgeschichte. Begleitet werden wir dabei von einem Agenten KronoteKs, einem Herren mit Schlapphut namens Dexter.

      Zeitreise

      Darkest of Days ist ein ungewöhnlicher Shooter, denn er umfasst nicht nur einen Zeitabschnitt, sondern gleich mehrere Epochen. Zu den fünf unterschiedlichen Szenarien gehören Pompeii (Antike), die Indianerkriege, der US-amerikanische Bürgerkrieg sowie die beiden Weltkriege. Da uns die (Zeit-)Reise stets in die Vergangenheit führt, scheiden Dinge wie moderne Kriegsführung oder Science Fiction natürlich aus. Das ist aber gar nicht weiter tragisch, zumal die behandelten Epochen (mit Ausnahme des 2. Weltkrieges) noch unverbraucht sind, weil sie in den meisten Ego-Shootern bisher kaum eine bis gar keine Rolle spielten.

      Ebenso vielschichtig wie die Szenarien/Schauplätze sind die Missionen. Letztere unterscheiden sich zwar nicht wirklich von denen üblicher Shooter, aber da sie in einer anderen Zeit (und nicht eben nur in Stalingrad, Vietnam oder irgendeiner Golfregion) spielen, gibt es mehr Abwechslung. So müssen wir u.a. Grabenstellungen der Deutschen Reichswehr im 1. Weltkrieg erstürmen, Bahnschienen sprengen, Häftlinge aus einem Konzentrationslager befreien, einen Agenten in die Falle locken, Ziele markieren, von einem eroberten Zeppelin aus feindliche Truppen ins Visier nehmen oder im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg einen hohen Offizier eskortieren. Unsere Bewaffnung ist dabei zunächst der jeweiligen Epoche angepasst. Angefangen von der Springfield (US-Bürgerkrieg) über stationäre Maschinengewehre, bis hin zur deutschen Luger 09 (2. Weltkrieg). Da sich bestimmte Schießprügel wie Revolver oder Hinterlader nicht gerade durch enorme Feuerkraft und rasche Schussfolge auszeichnen, erhalten wir - und zwar weitgehend unabhängig vom Szenario - später effektivere Waffen wie Shotgun, Scharfschützengewehr oder Rocket (Raketenwerfer, mit dem sich komplette Stellungen unter Feuer nehmen lassen). Zwar ist es nicht sehr realistisch, wenn Morris z.B. per Maschinenpistole einen Indianerangriff abwehrt; weil das Feindaufkommen aber stellenweise recht massiv ist, nimmt man solche "Hilfen" gern in Anspruch.

      Ein Schuss ins Knie, und das Leben endet nie

      Apropos Feinde: Nicht alle Gegner dürfen von uns getötet werden. Denn ein paar von ihnen sind für den Fortgang der Menschheitsgeschichte wichtig, und sollten deshalb überleben. Da sie aber dennoch auf uns schießen und somit eine Gefahr für den Spieler darstellen, darf man die Betreffenden, welche an einem dezenten Blauschleier zu erkennen sind, zumindest kampfunfähig schießen, wobei meist schon ein Treffer ins Bein oder ein Schlag mit dem Kolben genügt. Alternativ können wir auch sogenannte Cluster, das sind grünlich schimmernde Kugeln, auf die zu Schonenden werfen. Dann nämlich verschwinden deren blaue Auren und es wird kurzzeitig ein Timeout ausgelöst. Von größerer Bedeutung sind solche Spielereien aber nicht. Abgesehen davon, dass uns für den erfolgreichen Einsatz der Klunker Punkte gutgeschrieben werden, die sich am Ende der einzelnen Missionen in Waffenupgrades wie Ladezeit, Feuerrate, Magazingröße oder Präzision investieren lassen, oder wir mit einem vorzeitigen Ableben auf dem Schlachtfeld bestraft werden, wenn wir zu viele "blaue Jungs" töten.

      Dümmer als der Feind erlaubt

      Wer in Verbindung mit dem für Darkest of Days immer wieder verwandten Begriff "Zeitreise-Shooter" womöglich an Zeitmanipulation o.ä. denkt, wird enttäuscht. Der Spieler selbst hat nämlich praktisch keinen Einfluss auf den eigentlichen Verlauf der Geschichte, die er selbst immer nur bewahren, nicht aber verändern kann. So gesehen gibt es keinerlei Handlungsspielraum oder alternative Enden, was Darkest of Days viel seines eigentlichen Potentials beraubt. Denn der Titel spielt sich im Prinzip nicht weniger linear als ein gewöhnlicher Ego-Shooter. Ärgerlich sind zudem diverse Level-Begrenzungen, wenn man auf unsichtbare Wände stößt bzw. bestimmte Geländeabschnitte einfach nicht begehen kann. Kritik verdient außerdem die KI. Dass unsere Gegner prima Zielscheiben abgeben, mag es für uns ja noch einfacher machen, aber die Dummheit unserer eigenen Leute (oft kämpfen wir als Mitglied eines Trupps gegen die Feindesschar) nervt. So kann es beispielsweise nicht sein, dass wir bestimmte Gegner (nämlich die mit der "blauen Aura") nur kampfunfähig schießen dürfen, unsere computergestützten Kameraden aber voll draufhalten, um die von uns so großzügig Verschonten schließlich doch noch zu killen. Positiv: Die hier getestete deutsche PC-Version von Darkest of Days kommt offenbar ohne Schnitte aus. Blut ist also auch in der hiesigen Fassung zu sehen. Und selbst der Ragdoll-Effekt blieb erhalten.

      Technik

      Technisch liegt Darkest of Days im Mittelfeld. Es ist sicher kein optisches Highlight, aber die Gestaltung von Schauplätzen, Explosions- und Feuergefechten kann man als akzeptabel bezeichnen, sofern man maximale Bild-Details einstellt und sich an der etwas klobigen Darstellung einiger Figuren nicht stört. Bedientechnisch genügt der Shooter gängigen Standards. Die englischen Sprecher wurden nicht "eingedeutscht"; es gibt aber deutsche Untertitel. Der Gefechtslärm klingt realistisch. Ein Multiplayerpart fehlt. Ist aber verzeihlich, da ein Mehrspielerteil bei einem solchen Titel irgendwie nicht richtig gepasst hätte und die Gesamtspielzeit im Singleplayer mit etwa 12 Stunden vergleichsweise ordentlich ausgefallen ist.

      Fazit

      Wann hat der Spieler schon mal Gelegenheit, an der Seite von General Custer gegen Indianer zu kämpfen, oder als russischer Soldat gegen Hindenburgs Truppen in der Schlacht bei Tannenberg anzutreten? Trotz unspektakulärer Grafik, KI-Mängeln und kleineren Storylücken ist Darkest of Days ein interessanter Ego-Shooter geworden. Auch das Ende des Spiels ist aus meiner Sicht nicht ganz befriedigend (oder um es mit Dexter zu sagen: "Und was jetzt?"), ließe sich aber rechtfertigen, wenn man unterstellt, dass die Entwickler möglicherweise an einen Fortsetzungsteil gedacht haben. Ob ein solcher jemals erscheint, ist wohl mehr als fraglich. Denn Darkest of Days verschwand bereits kurz nach seiner Veröffentlichung (die deutsche Version kam Anfang 2010 auf den Markt) schnell wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung und hat sich vermutlich nicht sonderlich gut verkauft. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Titel ein wenn auch nicht überragender, so doch zumindest erfreulich "anderer Ego-Shooter" geworden ist. Nichts für die breite Masse, sondern mehr was für Leute am Rande des Geschehens.

      PRO:
      - unterschiedliche Szenarien
      - abwechslungsreiche Missionen
      - akzeptable Spielzeit (Singleplayer)
      - Blut und Ragdoll-Effekt auch in der deutschen Version erhalten


      CONTRA:
      - KI-Mängel
      - sehr linear
      - Zeitgeschichte lässt sich nicht wirklich beeinflussen
      - unspektakuläre Grafik