Sinking Island - Land unter - (PC-)User-Review

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    • Sinking Island - Land unter - (PC-)User-Review

      Unter White Birds Productions firmierte ein im Jahre 2003 von Syberia-Schöpfer B. Sokal gegründetes Studio, das sich auf die Entwicklung von Adventures spezialisierte. Neben einigen mehr oder weniger bekannten Titeln, die für Nintendo DS oder iOS erschienen, gab es drei Point & Click-Adventures, die exklusiv für PC auf den Markt kamen. Neben Paradise (2006), dem ersten Spiel des damals in Frankreich ansässigen Entwicklerstudios, später noch das futuristische Rätsel-Abenteuer Nikopol (2008) und eben das dazwischen veröffentlichte Krimi-Adventure Sinking Island (2007), um welches es in diesem Review gehen soll.


      Tod an den Klippen

      Für Jack Norman hätte es eigentlich nur eine kurze Routine-Untersuchung werden sollen. Der Polizei-Inspektor war vom Festland aus nach Sogorah Island geschickt worden, einer (fiktiven) Insel, irgendwo auf den Malediven. Anlass ist der Tod des Milliardärs Walter Jones. Der leblose Körper des 82jährigen, der wegen einer Lähmung der unteren Gliedmaße auf den Rollstuhl angewiesen war, wurde nahe der Schildköten-Plattform aufgefunden. Es besteht kein Zweifel, dass der alte Herr von den Klippen stürzte und dabei zu Tode kam. Aber warum? Ein tragischer Unfall? Oder Selbstmord? Wie es sich für ein richtiges Krimi-Adventure gehört, war es natürlich nichts von beidem, sondern Mord. Ein besonders hinterhältiger gar, denn die Leiche von Walter Jones weist - abgesehen von einer kaum sichtbaren Prellung, die wohl durch den Sturz zustande kam, und einem abgebrochenen Fingernagel, der leichte Kratzspuren an seiner rechten Wange hinterließ und dort stecken blieb - keine Anzeichen äußerlicher Gewalt aus. Ein kniffliger Fall also für Jack Norman. Und da gibt es noch ein weiteres Problem: Der Wetterdienst kündigt für die Malediven orkanartige Stürme an. Dem Inspektor bleiben nur drei Tage, den Täter zu überführen, denn danach - so viel steht fest - wird Sogorah Island in den Fluten des Ozeans versinken.

      Gegen die Strömung, gegen die Zeit

      Grund für den Untergang des tropischen Eilands ist ein riesiges Gebäude. Der schwerreiche Jones hatte es kurz vor seinem Tode auf Sogorah errichten lassen: ein gigantisches, kunstvoll ausgestattetes Luxus-Hotel mit allerlei architektonischem Schnick-Schnack und den Ausmaßen eines New Yorker Wolkenkratzers. Doch die kleine, auf einem Korallenriff liegende Insel verkraftet die Kombination aus Monsterbau und Unwetter nicht. Aufgrund des unerwartet heftigen Sturms sackt der monumentale Protz-Tempel immer weiter ab. Und jetzt drückt dessen Last die Ferien-Insel langsam aber sicher in die Tiefe.

      Vor Beginn des Spiels stehen uns zwei Modi zur Auswahl: Der "Abenteuer-Modus" ist die eher klassische Variante, bei dem sich der Spieler weitgehend ungezwungen und ohne Druck dem Geschehen, der ausgiebigen Erkundung der Umwelt und dem Lösen von Rätseln hingeben kann. Der "Gegen-die-Zeit-Modus" ist da schon eine Nummer härter, denn dabei läuft von Anfang an eine Uhr mit. Der Umstand, dass Jack Norm nur drei Tage bleiben, um den Mord aufzuklären, wird dem Spieler dann erst richtig bewusst, sieht er sich hier doch von Anfang an zeitlichem Stress ausgesetzt. Gelingt es ihm nämlich nicht, bestimmte Handlungen oder Aufgaben in den relativ eng gesteckten Zeitfenstern auszuführen bzw. abzuschließen, wird der Inspektor wegen Unfähigkeit abgesetzt und für den Spieler heißt es "Game over". Ein vorzeitiges Ende kann sogar noch eher eintreten, und zwar wenn wir für die Lösung der Aufgaben einfach zu lange gebraucht haben. Dann ist der "Rückstand" objektiv nicht mehr aufzuholen, der Computer erklärt die Lage für aussichtslos und beendet das Ganze. Vor allem Spieler, die weniger Erfahrungen mit Adventures haben, dürfte der "Gegen-die-Zeit-Modus" maßlos überfordern. Besagter Modus empfiehlt sich wohl hauptsächlich für Profis oder bei einem zweiten Durchgang. Da Sinking Island über keine alternativen Enden verfügt, ist der Wiederspielwert sonst ohnehin nur gering.

      Wer tötete Mr. Jones?

      Schon kurz nach Aufnahme der Ermittlungen wird deutlich: Walter Jones war ein bemerkenswerter Mann. Allerdings wurde er offenbar mehr respektiert als geliebt. Der Milliardär hatte zu seinen Lebzeiten nicht nur Freunde. Zum Zeitpunkt seiner Ermordung befanden sich insgesamt zehn Menschen auf Sagorah Island, überwiegend Geschäftskollegen und Verwandte des Getöteten. Und jeder Einzelne scheint ein Motiv, zumindest aber reichlich Dreck am Stecken zu haben. Beispielsweise Lorenzo Battaglieri, der Architekt des Hotels, der von Jones gezwungen wurde, grundlegende Sicherheitsbestimmungen zu ignorieren, was nun dazu führt, dass der überdimensionierte Luxus-Bau und mit ihm die ganze Insel buchstäblich absaufen. Oder der Eingeborene Kolio, der immer schon gegen den pompösen Riesen-Palast war, weil er von Anfang an befürchtete, dass dieser den Zorn der Inselgötter heraufbeschwört. Der Rechtsanwalt Hubert de Nolent gilt bzw. galt als enger Vertrauter von Walter Jones, aber auch als ebenso zwielichtig. Hinzu kommen noch eine ganze Reihe anderer Personen aus dem familiären Umfeld von Walter Jones. Meist Leute, die finanzielle Probleme haben oder sich aus privaten Gründen mit dem Milliardär überworfen hatten. Jones hatte sie alle zur Einweihung seines Hotels nach Sagorah geladen. Und es gibt eine junge Insulanerin, in die sich Walter Jones vor gar nicht langer Zeit verliebte und mit der er zuletzt Streit hatte. All die Charaktere und ihre persönlichen Hintergründe werden in Sinking Island vortrefflich in Szene gesetzt, was sicher nicht zuletzt mit der guten (deutschen) Vertonung zu tun hat. Auch wenn die Akteure nicht immer Lippen-synchron sprechen und Mimik sowie Gestik der dargestellten Figuren deutlich flüssiger hätten ausfallen können.

      Auf den Pfaden von CSI

      Sinking Island ist ein Krimi-Adventure, wenn auch nicht unbedingt eines, das klassischen Mustern in der Machart eines Sherlock Holmes folgt. Denn typische Kombinations- und Anwendungsrätsel machen nur einen geringen Teil unserer Arbeit aus. Die meiste Zeit ist Jack damit beschäftigt, Leute aufzusuchen und ihnen Fragen zu stellen. Der Dialoganteil ist entsprechend hoch. Ähnlich wie bei der CSI-Reihe liegt ein weiterer Schwerpunkt auf dem Sichten und Auswerten von Spuren. Damit dies gelingt, haben uns die Entwickler ein technisches Hilfsmittel, den sogenannten Personal Police Assistant (PPA) spendiert. Der Umgang mit dem Teil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, erleichtert unsere Nachforschungen aber ungemein. Der PPA speichert und sortiert nämlich alle rein kriminalistischen Hinweise, die sich im Laufe des Spiels anhäufen. Dazu gehören insbesondere Finger- und Fußabdrücke, Fotos, Dokumente und nicht zuletzt Aussagen, die sich aus den zahlreichen Gesprächen mit den Befragten ergeben. Das Gerät ermöglicht zudem den Vergleich all dieser Dinge. So ist es Jack beispielsweise möglich, einen Fingerabdruck einem Gegenstand zuzuordnen, woraus sich für ihn Vorgänge rekonstruieren und detektivische Schlüsse auf das Verhalten bestimmter Personen ziehen lassen. Auch gewisse Ungereimtheiten, Widersprüche und Logiklöcher in den Zeugenaussagen fallen dank PPA leichter auf. Ein Statusbalken informiert darüber, ob wir der Lösung eines Problems nähergekommen sind. Eine heiße Spur ergibt sich allerdings erst gegen Ende. Die Mordverdächtigen, die zunächst einmal alle eingehend befragt und deren (mögliche) Motive erst herausgearbeitet werden müssen, wechseln mehrmals, und (fast) bis zuletzt wird der Spieler darüber im Unklaren gelassen, wer es war - und warum Walter Jones sterben musste.

      Soweit die Füße tragen

      Da eine Malediven-Insel Schauplatz der Handlung ist, scheint die Spielwelt in Sinking Island auf den ersten Blick recht überschaubar. So beschränkt sich die Anzahl der Locations denn auch auf die Klippen bzw. Schildkröten-Plattform (nahe dem Tatort), den Strand, eine Promenade, eine kleine Hütte (dort haust der Inselbewohner Kolio mit seiner Tochter) und natürlich das Hotel. Anfangs sind die komplette Insel bzw. all ihre Lokalitäten zugänglich. Doch das ändert sich im Laufe der Zeit. Grund hierfür ist das heraufziehende Unwetter. Am ersten Tag, als Jack Norm auf Sogorah eintrifft, ist es lediglich regnerisch und etwas windig. Am zweiten Tag wird der Sturm heftiger, weite Teile der Insel stehen bereits unter Wasser und sind nicht mehr begehbar. Am dritten Tag erreicht das Unwetter seinen Höhepunkt. Das Wasser dringt jetzt ins Hotel ein und bahnt sich allmählich von der Eingangshalle aus Stockwerk für Stockwerk seinen Weg bis hoch zur Turmspitze. Der Fahrstuhl funktioniert nicht mehr und die Beteiligten sind praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Dem Spieler kann dies eigentlich nur recht sein, denn alle Tatverdächtigen sind ab da auf relativ engem Raum konzentriert. Vorher aber erwartet Jack einiges an Laufarbeit. Die Hauptursache dafür liegt in der Zahl der Verdächtigen (insgesamt 10) und der Tatsache, dass jeder einzelne von ihnen umfassend und für gewöhnlich mehrmals befragt werden muss. Auch deshalb, weil sich die Befragten bzw. deren Aussagen häufig aufeinander beziehen. So kommt es vor, dass Jack von Person A einen Hinweis erhält, der zu Person B führt. Von Person B erhalten wird dann die Empfehlung, sich mit dieser oder jenen Frage besser an Person C zu wenden. Person C aber kann uns auch nicht groß weiterhelfen und verweist uns - bezugnehmend auf Person D - auf Person E. Nach einer längeren Unterhaltung mit Person E ergeben sich schließlich neue Erkenntnisse, die zu untermauern die Beantwortung weitere Fragen voraussetzt. Diese Fragen jedoch führen uns zurück zu Person A. Praktisch: Der PPA zeigt uns an, wo sich die jeweiligen Personen gerade befinden. Weniger praktisch: Es gibt kein Kartenmaterial vom Hotel. So können wir zwar in Erfahrung bringen, dass sich Person C momentan in der Bibliothek aufhält. Allerdings müssen wir sie, die Bibliothek, auch erst mal finden. Wo bzw. in welchem Stockwerk diese liegt, wird einem nicht verraten oder wenigstens durch Schilder bzw. Wegebeschreibungen angezeigt. Solche und ähnliche Situationen, die den ohnehin eher gemächlichen Spielfluss nachhaltig ausbremsen und für unnötige Längen (immerhin hat der Inspektor nur drei Tage Zeit) sorgen, gibt es häufiger. Und wenn man Pech hat, läuft man sich in dem luxuriösen Mammut-Tempel ein halbes Wolfsrudel.

      Apropos Spielfluss: Sinking Island verfügt über keine Hotspot-Funktion zum Auffinden von Gegenständen, was wir einem Spiel aus dem Jahre 2007 aber nicht vorwerfen wollen, eben weil solche Hilfen in damaligen Adventures keineswegs Standard waren. Da Objekte, die sich in ein Inventar aufnehmen lassen, meist dezent in die Hintergründe integriert wurden, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Der Mauszeiger leuchtet aber auf, wenn man ihn über einen wichtigen Gegenstand bewegt. Von Jack wird das für gewöhnlich zusätzlich noch mit einem "Das kann ich bestimmt noch gebrauchen" kommentiert. Ein Positivum: Die Zahl der interaktiven und damit auch einzusammelnden Elemente ist relativ gering, so dass die Übersichtlichkeit nicht durch zu viel Kleinkram beeinträchtigt wird.

      Ein (Mörder-)Paradies...

      ...ist Sinking Island in jedem Fall. Auch optisch kann der Titel überzeugen. Nicht rundum, denn dazu sind die Gesichtszüge und Animationen der Handelnden etwas zu starr und hölzern ausgefallen. Dennoch ist Sokals einzigartiger Grafikstil, der vormals schon Point & Click-Adventures wie Syberia ihren unverwechselbaren Charme verlieh, unverkennbar. Die Schauplätze wurden mit viel Hingabe zum Detail gestaltet. Zwar will wegen des Mistwetters auf Sagorah von Beginn an so recht keine Urlaubsstimmung aufkommen - was der ernsten Thematik auch nicht zuträglich gewesen wäre -, aber atmosphärisch wurde das ganze Insel-Drumherum stilsicher eingefangen. Der Regen, das Gewitter, Donner und Blitz, die Palmen am Strand, die von orkanartigen Winden reichlich durchgeschüttelt werden, all das passt sehr gut und vermittelt das Gefühl einer aktuellen Bedrohung und von unberechenbaren Naturgewalten. Auch beim Betreten des Luxushotels kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Animiert ist hier relativ wenig; trotzdem kann die Darstellung des mit edlem Marmor und kostbaren Kunstwerken ausgestatteten Art Déco-Super-Baus voll überzeugen. Die Grafik lässt sich für 16:9 bzw. 16:10 Monitore anpassen. Schön sind auch die Spielfilm-reifen Zwischensequenzen anzusehen. Weniger schön: Sinking Island ist mit dem Starforce 5-Kopierschutz versehen. Das kann auf bestimmten Rechnern zu Problemen bei Installation und/oder der Stabilität führen.

      Fazit

      Sinking Island bietet dem Krimi-Fan vieles von dem, was er von einem solchen Adventure erwartet. Die Story ist spannend, die Charaktere sind interessant, und auch die Sache mit der untergehenden Insel ist im Prinzip eine gute Idee. An Grafik und Synchronisation lässt sich wenig aussetzen. Der nicht-lineare Spielablauf eröffnet dem Spieler gewisse Handlungsfreiheiten. Dem gegenüber stehen diverse Gameplay-Mängel, wie zu viel Lauferei oder die oft umständliche Sucherei nach Personen, Räumen oder Gegenständen. Leider Dinge, welche die Aufklärung des Mordes immer wieder unnötig verzögern und für nervige Stopper sorgen, was sich insbesondere im "Gegen-die-Zeit"-Modus nachteilig auswirkt. Für Polizei-Inspektor Jack Norman bleibt Sinking Island sein erster und letzter Fall. Denn 2011 machten die Entwickler von White Birds Productions ihr Studio dicht. Damit verschwanden auch die Hoffnungen auf ein weiteres Krimi-Abenteuer mit der Profi-Spürnase. Denn in "Broadway" - so der Titel des geplanten Nachfolge-Adventures - sollte Jack den Mord in einem Theater untersuchen. Daraus wird nun nichts mehr. Was schade ist.


      PRO:
      - spannende Handlung
      - glaubwürdige Charaktere
      - hübsche Grafik
      - gute Vertonung (Synchronsprecher, Musik, Umgebungsgeräusche)


      CONTRA:
      - nervige Lauferei & Sucherei (dadurch zäher Spielablauf)
      - nur sehr wenige klassische Rätsel