1953: Im Netz des KGB - Das Geheimnis um Phobos - (PC-)User-Review

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    • 1953: Im Netz des KGB - Das Geheimnis um Phobos - (PC-)User-Review

      Vor dreizehn Jahren wollte Phantomery Interactive deutschen Spielern erstmals so richtig das Gruseln lehren. Mit mäßigem Erfolg. Das hierzulande im März 2009 veröffentlichte Mystery-Abenteuer Outcry - Die Dämmerung bot zwar einige positive Ansätze, scheiterte aber letzten Endes an technischen Unzulänglichkeiten und diversen Gameplay-Macken, vor allem seinem sperrigen Rätsel-Design. 1953 - Im Netz des KGB ist das zweite Adventure der russischen Indie-Entwickler. Die deutschsprachige Boxversion kam 2012 in die Läden. Zuvor war das Spiel (ursprünglicher Titel: Phobos 1953) bereits als Download erhältlich und hatte auch schon ein paar Vorschuss-Lorbeeren geerntet. So war es u.a. Sieger in der Kategorie "Best Adventure" der russischen "Conference of Game Developers".

      Führte uns Outcry - Die Dämmerung noch per Zeitmaschine in surreale Welten, so geht es im zweiten Adventure von Phantomery Interactive etwas weniger fantastisch zu. Laut offiziellen Herstellerangaben beruht die Hintergrundgeschichte in 1953 - Im Netz des KGB sogar auch tatsächlichen Projekten des damaligen Ministeriums für Staatssicherheit der UdSSR während der frühen 50er Jahren. Wir können dies schlecht überprüfen. Dennoch kann man sich vorstellen, dass es vor dem Hintergrund der damaligen Stalin-Ära Experimente in Russland gab (und womöglich dort und anderswo in der Welt auch heute noch gibt), an denen Dr. Frankenstein seine pure Freude gehabt hätte. Denn anders als der reißerische Titel vermuten lässt, ist 1953 - Im Netz des KGB kein Agenten-Thriller, sondern ein Mystery-Adventure, in dem es um geheime Forschung geht. Und zwar an Menschen - an toten gar, was die Sache besonders pikant macht.

      Im Bunker

      Flackerndes Rotlicht, Alarmsignale, drückende Enge, trister Beton. Wir erwachen in einem Bunker, unterhalb der Millionenstadt Moskau. Wir, das ist der Genosse Nikolajev. Was er hier sucht und wie er hierher gelangt ist? Keine Ahnung. Nikolajev erwacht wie aus einem langen Tief-Schlaf und kann sich an nichts erinnern. Doch einige Papiere, die er bei sich trägt, geben erste Hinweise. So erfährt er nicht nur, wie er heißt, sondern auch, dass er in dem unterirdischen Bau ursprünglich technische Reparaturarbeiten durchführen sollte, dann aber sehr kurzfristig aus wichtigem Grund von diesem Auftrag abgezogen wurde. Zudem wird bald klar: Bei dem Bunker handelt es sich um eine Einrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit, genauer gesagt einer Art Forschungsstation des sowjetischen Geheimdienstes, des KGB. Das riecht nach dicker Luft. Unser Mann, den wir fortan in klassischer Point & Click-Manier aus der Ego-Perspektive steuern, zieht es daher vor, diesen ungemütlichen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Leichter gesagt als getan. Viele Türen und Zugänge sind verschlossen und die Stromversorgung eingeschränkt. Da Nikolajev aber Techniker ist, besteht vielleicht eine reelle Chancen, das unterirdische Verließ zu verlassen. Im günstigsten Fall sogar lebend.

      Streng geheim

      Die Story von 1953 - Im Netz des KGB entwickelt sich relativ langsam. Der Spieler bekommt keine feste Aufgabe zugeteilt, nach dem Motto "Gehe von A nach B und tue dies oder lasse das"; vielmehr entwickeln sich die einzelnen Rätsel, d.h. sie ergeben sich aus der jeweiligen Situation und dem Spielfortschritt. So wird zum Beispiel ziemlich früh deutlich, dass es sich bei dem Bunker um eine geheime Forschungseinrichtung handelt. Was dort erforscht wird und worum es genau geht, bleibt allerdings zunächst im Unklaren. Und das ist auch ganz gut so, denn dadurch wird eine gewisse Spannung aufgebaut, weil sich der Spieler zunehmend fragt, was ihn denn hinter der nächsten Tür noch alles erwartet. Anhaltspunkte darauf geben schriftliche Aufzeichnungen, die in den verschiedenen Abschnitten der Bunkeranlage verstreut sind. Daraus ergibt sich zugleich die Notwendigkeit, besagte Unterlagen zu lesen. Und das gründlich, denn das Lösen vieler Rätselaufgaben ist nur nach Kenntnis (und Verständnis!) besagter Dokumente möglich. Der Spieler sollte sich also auf einen gewissen Leseaufwand einstellen, zumal einige der für gewöhnlich in Schreibmaschinenschrift abgefassten Berichte mehrere Seiten umfassen und die Texte nicht etwa von einem Sprecher vorgelesen werden. Wenn man auf Anhieb Informationen übersieht, ist das übrigens nicht tragisch. Alle Texte werden in einer Art Journal abgelegt, welches sich per Mausklick aufrufen lässt, so dass man bei Bedarf nochmals alles nachblättern kann.

      Kopf-Kino

      Es gehört zu den oft gemachten Erfahrungen, dass der Horror dann besonders gut rüberkommt, wenn er nicht allzu offensichtlich ist. Nun wäre es wohl falsch, 1953 - Im Netz des KGB als typisches Horror-Adventure zu bezeichnen. Im Grunde genommen ist der Titel nicht einmal richtig gruselig. Denn in den Räumen und Gängen des Bunkers lauern weder Zombies, noch finden sich dort dicke Blutspuren oder erhängte Leichen. Es gibt - so viel sei an dieser Stelle verraten - im ganzen Spiel nur einen einzigen Toten zu sehen. Der Verpackungstext von 1953 - Im Netz des KGB spricht von einer "dichten Mystery-Horror-Atmosphäre". Horror ist sicher übertrieben, Mystery und dichte Atmosphäre passen da schon eher. So studieren wir Munitionsbestandsprotokolle und Hinrichtungsakten. Und wir stoßen auf die Notiz eines russischen Majors, der die klare Anweisung gibt, 18 Häftlinge zu erschießen. Allerdings nur in die Herzgegend. Schüsse in den Kopf seien strengstens verboten. Vielleicht, weil man die Gehirne der Getöteten noch zu experimentellen Zwecken braucht?

      Ein gewisser Oberleutnant M.F. Kuleschow, stellvertretender Kommandeur einer Sondereinheit der Staatssicherheit, notiert etwas von "unbekannten Gesetzen der Natur" und vom "minimalen Energieverbrauch des Phantoms". Außerdem ist von "Hirnproben für die Durchführung von biochemischen Analysen" die Rede. Solche und ähnliche Hinweise regen die Fantasie des Spielers an und lassen ihn in etwa erahnen, was sich in der unterirdischen Forschungsstation zugetragen hat - oder möglicherweise weiterhin zuträgt. Denn offenbar sind wir nicht allein. Per Funkgerät erreicht uns der Hilferuf eines anderen Arbeiters. Der befindet sich gerade an einer anderen Stelle der Anlage, in der Nähe des Labors, und steht kurz vor dem Erstickungstod. Und dann gibt es da noch eine fremde Stimme, die von Zeit zu Zeit über die Bunker-Lautsprecheranlage zu uns spricht, jeden unserer Schritte zu verfolgen scheint und uns scheinbar vor etwas warnen will. Der totale Horror ist das zwar nicht, aber spannend ja. Und gefährlich. Denn unser Charakter ist sterblich. An einer Stelle im Spiel bekommen wir einen Hustenanfall, müssen rasch eine Gasmaske auftreiben und kurz darauf ein Gegenmittel spritzen, weil es sonst auch uns erwischt.

      Düstere Korridore, verlassene Zimmer und knackige Rätsel

      Trotz seiner schlichten Machart und obwohl eigentlich nicht sonderlich viel passiert, gelingt es 1953 - Im Netz des KGB so etwas wie Atmosphäre und ein Gefühl der Beklemmung aufkommen zu lassen. Lediglich fremde Stimmen verraten uns, dass wir nicht die Einzigen im Bunker sind. Die Korridore sind verlassen, ebenso die Büros, Wartungs-, Maschinen- und Konferenzräume. Bilder von Stalin sowie Lenin über den Schreibtischen der verschwundenen Offiziere und Wissenschaftler und die gerade mal mit dem Nötigsten ausgestatteten Arbeitszimmer erinnern an die 1950er Jahre und zeugen von der materiellen Knappheit im real existierenden Kommunismus damaliger Prägung. Dunkle Spielabschnitte sind die Ausnahme. Nur an ein oder zwei Stellen müssen wir die Taschenlampe bemühen. Von Vorteil ist dies insofern, als alle Objekte ohne größere Probleme (weil: ausreichend beleuchtet) sichtbar sind. Das kommt dem Spieler entgegen, zumal uns 1953 - Im Netz des KGB eine Hotspot-Funktion zum schnellen Auffinden von Gegenständen vorenthält. Auch auf integrierte Spielhilfen, die Tipps liefern könnten, wenn man mal nicht weiter kommt, müssen wir bei diesem Titel verzichten. Erfreulicherweise enthält die hier behandelte Boxversion eine Komplett-Lösung als PDF.

      Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel schwankt und dürfte von Spielern unterschiedlich empfunden werden, je nachdem, wie viel Erfahrungen man mit Adventures hat. Mitunter springt einem die Lösung nahezu ins Auge (z.B. wenn wir Eisen an einer Stahltür mit einer Flex durchtrennen müssen, wobei das Gerät gleich davor liegt), manchmal genügt einfache praktische Überlegung (defektes Stromkabel mit Zange reparieren und anschließend mit Isolierband umwickeln, Spitzhacke auf brüchiges Mauerwerk anwenden usw.), dann wieder kommt man nur durch reifliche Überlegung oder Ausprobieren zum Ziel; z.B. wenn wir durch die richtige Anordnung von Zigarettenetuis einen elektrischen Kontakt herstellen sollen, um dadurch einen Tresor öffnen zu können. Gegen Ende des Spiels entdecken wir eine Postkarte, auf deren Rückseite sich eine Skizze befindet. Ausgehend von dieser Zeichnung müssen wir dann auf Rohre in einer Duschnische schließen und auch darauf, in welcher Reihenfolge bzw. Richtung wir die Brause-Armaturen zu betätigen haben, um so an einen fürs weitere Fortkommen wichtigen Gegenstand zu gelangen.

      Technik

      Grafisch gewinnt 1953 - Im Netz des KGB keine Preise, was von einem Indie-Titel aber auch nicht unbedingt zu erwarten ist. Zwar gelingt es der schlichten Grafik, die Tristesse des 1950er-Jahre-Sowjet-Russlands halbwegs stilecht darzustellen, doch aufgrund der meist fehlenden Animationen erscheint die Spielwelt sehr steril. Lediglich die (wenigen) Vor- und Zwischensequenzen zaubern etwas Leben auf den Monitor. Am Sound (Maschinengeräusche, Musik etc.) lässt sich nicht viel aussetzten. Die deutschen Sprecher machen ihre Sache gut, kommen allerdings nur relativ selten zu Wort. Die Bedienung genügt üblichen Standards. Der Spieler kann sich in der Ego-Perspektive immer nur schrittweise von A nach B bewegen und sich dort um 360° drehen. Können wir uns in eine bestimmte Richtung fortbewegen oder mit Gegenständen interagieren, verändert sich der Cusor. Dennoch kommt es gelegentlich zu Problemen mit der Übersichtlichkeit. In einem Raum müssen wir z.B. eine Axt aufnehmen. Doch sind wir an jenem Punkt angelangt, ist unsere Spielfigur dermaßen ungünstig positioniert, dass sie die Axt nicht mehr sehen und damit auch nicht aufnehmen kann, weil sich die Bildgröße verändert hat. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Art Bug. Nach Laden des vorangegangenen Speicherstandes und dem wiederholten Versuch, besagten Raum zu betreten, klappte es dann allerdings.

      Fazit

      1953 - Im Netz des KGB macht nichts völlig falsch, aber leider auch kaum etwas wirklich richtig. Die Story ist interessant, die Atmosphäre halbwegs bedrückend, die Rätsel sind größtenteils fordernd (einigen Spielern aber unter Umständen schon wieder zu fordernd) und die Sprecher gut besetzt. Grafisch ist der Titel bestenfalls Mittelmaß. Bedientechnisch kam es an einigen Stellen zu Unübersichtlichkeiten, und der vollständige Verzicht auf Hilfs- und Hotspot-Funktionen muss bei einem noch nicht ganz so alten Adventure sicherlich auch nicht sein. Mit etwas mehr Feinschliff hätte der Titel noch Luft nach oben gehabt. Ärgerlich oder zumindest unbefriedigend ist aber das Ende. Denn das kommt bereits nach weniger als vier Stunden, dazu sehr plötzlich und lässt den Spieler mehr fragend als wissend zurück. So reicht es unterm Strich auch nur für eine niedrigere Wertung. Denn 1953 - Im Netz des KGB ist im Prinzip kein schlechtes Adventure. Aber unter Berücksichtigung all seiner Mängel auch keines, das man unbedingt haben muss.

      PRO:
      - spannende Story
      - (Bunker-)Atmosphäre
      - gute Sprecher
      - fordernde Rätsel


      CONTRA:
      - kaum Animationen
      - gelegentliche Probleme mit der Übersichtlichkeit (Steuerung)
      - einige Rätsel für Anfänger zu schwer
      - keine Hotspot-Funktion
      - kurze Spielzeit (3 bis 4 Stunden)
      - plötzliches Ende