Cold Dreams - Ein Wintermärchen - (PC-)User-Review

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    • Cold Dreams - Ein Wintermärchen - (PC-)User-Review

      Nachts irgendwo inmitten eines Waldes,... und das allein, bei eisiger Kälte, begleitet von unheimlichen Geräuschen und (Alp-)traumwandlerisch einem mysteriösen weißen Lichtkegel folgend. Cold Dreams versteht es, Spannung aufzubauen und erweist sich als stimmungsvolles, aber ebenso kurzes Spielerlebnis.

      Bis vor wenigen Jahren von der Gamer-Welt noch ziemlich belächelt, haben Indie-Adventures inzwischen einen festen Platz im Videospiele-Universum eingenommen. Insbesondere auf Exploration ausgerichtete Vertreter ihrer Zunft wie Dear Esther, Gone Home, The Vanishing of Ethan Carter oder Layers of Fear stießen auf reges Interesse und fanden zunehmend Käufer. Angesichts des seit geraumer Zeit wachsenden Angebots entsprechender Produkte fällt es inzwischen gar nicht mehr so leicht, jede Neuerscheinung im Auge zu behalten. Auch Cold Dreams ging im Reigen der "Walking-Simulatoren" etwas unter. Der Indie-Titel des weitgehend unbekannten Entwickler-Studios Winter Bloom erschien Ende Oktober 2015, quasi zeitgleich zu Halloween. An mir ging das Teil ursprünglich ebenfalls vorbei, wäre da nicht der (ehemalige) neXGam-User und Lesertest-Autor Sly Boots gewesen, welcher mir - da er meine Vorliebe für Adventures abseits des Mainstreams bestens kannte - Cold Dreams damals als (Geschenk-)Download zukommen ließ und dem ich an dieser Stelle nochmals ausdrücklich dafür danken möchte.

      Eiskalter Wachtraum

      Träume sind eigentlich was Feines, sofern es warme sind. Unserem namenlosen Protagonisten bleibt dieses Vergnügen verwehrt. Denn der findet sich in einem schneebedeckten, von eisigen Winden durchzogenen Wald wieder. In aller Finsternis, gegen Mitternacht. Kein halbwegs normaler Mensch würde um diese Zeit bei so einer Arschkälte im Walde spazieren gehen. Aber - der Titel deutet es bereits an -: Es ist ja nur ein Traum. Oder ein Wach-Traum. Oder steckt mehr dahinter? Außerdem: Wer garantiert schon, dass der Charakter, den wir fortan aus der Ego-Perspektive via WASD-Tasten durch die frostige Landschaft lenken, wirklich "normal" ist? Und was ist an der Umgebung überhaupt normal? Ganz geheuer ist die Gegend jedenfalls nicht. Aus einem Brunnen vernehmen wir die Stimme eines Kindes, hinter der nahe gelegenen Kirche baumelt ein Galgenstrick und in einer verlassenen Holzhütte, die uns vorübergehend als Unterschlupf dient und wo wir zu unserem nackten Entsetzen dicke Blutspuren entdecken, klopft es plötzlich von draußen an die Tür. Sind wir also doch nicht so ganz allein? Und dann ist da noch jenes seltsame weiße Licht, das uns inmitten der ungemütlichen Szenerie den Weg zu weisen scheint. Doch wohin führt uns dieser Weg?

      Kholat im Westentaschen-Format

      Mein erster Eindruck nach der ersten Spielminute von Cold Dreams: Das ist doch Kholat! Etwas abgespeckt und grafisch natürlich nicht so gut, aber vom (Spiel-)Prinzip her sehr ähnlich. Die Einschätzung ist nicht ganz falsch, aber auch nicht völlig richtig. Bei Kholat, welches einige Monate eher, Mitte 2015, für PC auf den Markt kam (später auch für PlayStation 4), handelte es sich um die Kombination aus einem auf die Erforschung der Spielwelt ausgerichteten Adventure und Survival-Horror. Außerdem hatten sich die Entwickler dort von Ereignissen im nördlichen Ural inspirieren lassen, einem Unglück, welches sich dort im Jahre 1959 wirklich zugetragen hat und bei dem seinerzeit neun Ski-Wanderer auf mysteriöse Weise ums Leben kamen. Cold Dreams verzichtet hingegen auf den Survival-Aspekt, die Handlung ist frei erfunden und man muss auch - anders als in Kholat - keinen Geistergestalten ausweichen, damit rechnen, unversehens durch eine Schneedecke zu brechen oder sonst ein vorzeitiges Ende zu finden. Gemeinsam ist den beiden Titel neben den (explorativen) Gameplay-Elementen also hauptsächlich der Umstand, dass sie in eisiger Kälte spielen. Und dass es so gut wie keine klassischen Rätsel gibt.

      "It's so cold!"

      Ohne bereits im Vorfeld zu viel von der Story zu verraten, sei an dieser Stelle angedeutet, dass sich unser einsamer (Wald-)Mann auf die Suche nach seinem Kind macht. Zu diesem Zweck muss er mehrere Holzpferde (das Lieblingsspielzeug seiner Tochter) finden. Besagte Pferdchen liegen irgendwo im Wald rum, besser gesagt in den Lokalitäten, die der Wald beheimatet. Denn da gibt es nicht nur Bäume, sondern auch kleinere Gebäude, eine Ruine und sogar eine Gruft. Während der frostigen Entdeckungstour spürt man förmlich, wie dem Protagonisten die edelsten Weichteile einfrieren, was sowohl durch seine larmoyanten, etwas aufgesetzt wirkenden Kommentare ("Ooooh, it's so cold!") als auch seinen trägen Gang deutlich wird. Anders als z.B. in The Vanishing of Ethan Carter ist es in Cold Dreams nämlich nicht möglich, die Laufgeschwindigkeit nennenswert zu erhöhen. Man bewegt sich also relativ langsam durchs winterliche Ambiente. Einerseits ist das realistisch (Meter-hoher Schnee eignet sich halt schlecht für Dauer-Sprints), gleichzeitig aber fühlt man sich aufgrund des Senioren-Tempos irgendwie ausgebremst, vor allem dann, wenn man Cold Dreams eventuell zum wiederholten Male angeht, um eines oder mehrere der alternativen Enden zu erleben.

      Düstere Atmosphäre, wenig Interaktion

      Wie bei Games dieser Machart nicht unüblich, verzichtet Cold Dreams auf anspruchsvolle Knobeleien. Ein umfassendes Inventar gibt es folglich nicht. Und auch die Möglichkeiten der Interaktion sind stark limitiert. Ab und zu müssen wir mal einen Schlüssel finden und auf eine Tür anwenden, einen Lichtschalter aktivieren oder einen (blutverschmierten) Zettel anklicken, um die darauf enthaltenen Informationen zu lesen. Im Großen und Ganzen war's das aber schon. Bestimmte, auf den ersten Blick sehr interessant wirkende Gegenstände, beispielweise eine Axt, lassen sich nur anschauen, nicht aber aufnehmen. Rein atmosphärisch hat Cold Dreams mehr zu bieten. Die Geschichte wird spannend erzählt und man fühlt sich zu keinem Zeitpunkt wirklich 100%ig sicher in seiner Haut, obwohl der Hauptcharakter im Prinzip nicht sterben kann, was wiederum etwas von der Anspannung nimmt. Selbst auf Jumpscares wurde weitgehend verzichtet. Werden Schock-Effekte tatsächlich mal eingesetzt, dann treffen sie den Spieler dafür allerdings umso überraschender. Insgesamt ist die Stimmung mehr unheimlich-düster als gruselig. Aber das passt im Falle von Cold Dreams, auch oder gerade im Hinblick auf die Auflösung der Geschichte.

      Es fängt immer wieder an...

      ... und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann. Größtes Ärgernis in Cold Dreams ist das Speichersystem, denn ein solches existiert quasi nicht. Spiele-Stände werden nicht angelegt, weder automatisch, noch manuell. Dadurch geht natürlich jeglicher Fortschritt verloren. Beenden wir also Cold Dreams, beispielsweise, um es am nächsten Tag weiter zu zocken, oder möchten wir ein alternatives Ende freispielen, müssen wir das komplette Game nochmal ganz von vorne beginnen. Das mag nicht ganz so tragisch sein, wie es zunächst klingt. Denn das Indie-Adventure hat man im ersten Durchgang bereits nach ca. 30 bis 40 Minuten durch. Unkomfortabel ist es trotzdem. Vor allem, da hier allzu eindeutig ist, dass dies von den Entwicklern voll beabsichtigt war, um so die sehr kurze Spielzeit zu strecken (deshalb wahrscheinlich auch das Fehlen einer brauchbaren "Schnell-Laufen"-Funktion). Die Gesamtspielzeit wird naturgemäß variieren. Abhängig davon, ob man die Umgebungswelt gründlich oder weniger sorgfältig untersucht, und je nachdem, wie viele (alternative) Enden man sehen möchte, kann man sich auch 60, 90 oder 120 Minuten mit Cold Dreams beschäftigen. In technischer Hinsicht kommt bei dem Indie-Titel übrigens die Cry Engine zum Einsatz. Die ist inzwischen zwar in die Jahre gekommen und damit zwangsläufig nicht mehr ganz so up to date, sorgt aber für ein insgesamt ansprechendes Erscheinungsbild. Synchronisation und Texte liegen nur in Englisch vor, wahlweise mit englischen oder russischen Untertiteln.

      Fazit

      Böse (Alp-)Träume macht Cold Dreams nicht. Musste ich in Amnesia, Soma oder Layers of Fear vor lauter Furcht noch Panik-artig die Unterhosen wechseln, so blieb mir das diesmal erspart. Vielmehr erzählt der Titel vom Indie-Entwickler Winter Bloom eine Art Kurzgeschichte. Ohne dabei Angst und Schrecken zu verbreiten, aber dank seiner bewundernswert gespenstischen Atmosphäre gut (weil: spannend) präsentiert. Die Spielzeit ist mit weniger als einer Stunde recht dürftig ausgefallen, was man bei einem 3 €-Titel aber nur bedingt in Abzug bringen darf.

      PRO:
      - unheimliche Atmosphäre
      - interessante Story
      - alternative Enden


      CONTRA:
      - fehlende Speichermöglichkeiten
      - schnelles Laufen des Protagonisten nicht möglich
      - keine klassischen Rätsel
      - kurze Spielzeit